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Der letzte Arbeitstag

Ich gebe zu, auch nach langjähriger Berufserfahrung und einigen Kündigungen war ich heute aufgeregt. Um 4:30 war ich hellwach: „Heute ist Dein letzter Arbeitstag!“ Die Vorstellung, nicht mehr zu arbeiten, will noch nicht in meinen Kopf. Statt den letzten Tag gemütlich angehen zu lassen und lange auszuschlafen, bin ich viel zu früh aufgewacht - es ist noch weit vor meiner üblichen Zeit. Anscheinend bin ich doch aufgeregt, auch wenn ich vom Gefühl her ganz ruhig bin. Es kommt mir eigentlich eher wie ein normaler Arbeitstag vor. Es rattert wie üblich in meinem Gehirn, was ich heute noch alles erledigen will. 

Erst auf dem Weg zur Arbeit schoss es mir durch den Kopf, dass ich die Strecke zur Arbeit das letzte Mal fahre. Es ist noch dunkel draußen und auf dem nasse Asphalt glitzern die Neonbeleuchtung und die Lichter der anderen Autos. Nieselregen zum Abschied. Ab der Autobahnabfahrt verabschiede mich gedanklich von jeder Ecke und jedem Straßenschild, auch wenn ich weiß, dass ich privat sicherlich noch mal hier vorbeikommen werde - nur dann wird es anders sein, dann ist es Privat und nicht mehr Arbeit. 

In der Firma angekommen, war noch alles ruhig, was sich aber schnell änderte. In den Meetings verabschiedete ich mich online, denn aufgrund von Corona arbeiten von zuhause aus. Gegen Mittag schaut ein Kollege rein und verabschiedet sich persönlich von mir. Er beneidet mich und sagt, dass er leider noch bis 63 durchhalten muss. Keiner will bis 67 arbeiten, auch wenn es Abzüge von der Rente gibt.

Bevor ich den Rechner zurückgebe, drucke ich die ganzen Abschiedsmails aus. Insgesamt fast 100 Emails mit den besten Wünschen und so ist am Ende ein 30-seitiges Heft mit Abschiedsmails entstanden. Eine nette Erinnerung. Ich muss sagen, das Betriebsklima in der Firma ist sehr gut. Ich habe gerne mit alle zusammengearbeitet und ich hatte ein echt super Team, auf jeden war Verlass! 

So, noch einmal durch die Flure gehen. Ein letztes Mal und das war's dann. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben. Es war eigentlich wieder ein ganz normaler Arbeitstag. Danach begann dann für mich der eigentliche Ausstiegsprozess: Rechner zurückgeben und Unterschrift einholen, Handy abgeben und Unterschrift einholen, Werksausweis abgeben und Unterschrift einholen, … bis der letzte Weg dann in der Personalabteilung endete. Auch hier gab es dann Lob und Dank für die gute Zusammenarbeit und alles gute für die Zukunft. Bei der Frage nach der Zukunft wurde die Personalleiterin dann doch etwas neidisch. Wie? Gar nicht mehr arbeiten? Auch nach den Reisen nicht mehr? Ja, ich höre ganz auf zu arbeiten und werde Privatier!

Nun also ist es so weit. Wahrscheinlich braucht es noch eine Weile, bis ich das wirklich begriffen habe. Ich drehte der Firma den Rücken zu und leichte Wehmut machte sich breit, aber längst nicht so stark, wie ich befürchtet hatte. Wahrscheinlich überwiegt die Freude auf das Leben nach der Arbeit. Endlich frei sein und reisen. Dieses Gefühl trug mich dann auch nach Hause, wobei unterwegs noch ein Erinnerungsfoto geschossen wurde, weil ich in meinem Elan zu schnell gefahren bin.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Holger Rehklau (Mittwoch, 02 Februar 2022 14:54)

    Hallo Andreas, auf diesem Weg alles Gute und viel Spaß und Freude bei Euren Reisen rund um die Welt. Es war sehr angenehm mit Dir zusammenzuarbeiten und ich erinnere mich gerne an unsere Dienstreise mit Hotel in einem Industriegebiet irgendwo im nirgendwo. Vielleicht sieht man sich ja mal falls Du nicht gerade unterwegs bist im Sportforum Kleinmachnow. Gruß Holger

  • #2

    Andreas (Freitag, 04 Februar 2022 09:22)

    Hallo Holger,
    Danke für die Wünsche und die tolle Zusammenarbeit! Ja, an die Dienstreise erinnere ich mich gerne zurück. Manchmal werden auch Dienstreisen zu einem kleinen Abenteuer.
    Viele Grüße
    Andreas