Wir hatten es vergessen oder besser gesagt verdrängt. Hier in Nangal Sohal wir man morgens um 5:00 Uhr durch laute Gebetsrufe geweckt. Das Rezitieren der Gebetstexte beginnt zwar schon früher, aber richtig laut wird es zwischen 5:00 Uhr und 5:30 Uhr. Das Gebet zum Sonnenaufgang.
Es ist kalt und wir sind noch müde. Draußen herrscht dichter Nebel. Die Wetter-App zeigt 7°C und eine Luftfeuchtigkeit von 98%. Eine Heizung gibt es hier auf dem Hof nicht - da wird schon der Weg aus dem Bett zur Toilette eine Herausforderung. Die ganzen Sachen sind klamm und man möchte sich am liebsten wieder in das warme Bett verziehen. So richtig warm wird es hier zu dieser Jahreszeit auch noch nicht, die Mittagstemperaturen werden mit max. 20°C angezeigt. Wenn sich die Sonne durch den Nebel gekämpft hat, wird es dann aber angenehmer. Bis dahin heißt es durchhalten.
Man merkt den Unterschied zwischen Land und Stadt. Amritsar ist nur 50 km entfernt, aber in der Stadt ist es mindestens 5°C wärmer. Aber bei der hohen Luftfeuchtigkeit kommen einem auch 12°C kalt vor.
Die Kinder machen sich für die Schule fertig und für uns gibt es um 8:00 Uhr leckeres Frühstück.
Bei meinem Spaziergang durch die Felder wurde ich gleich stürmisch begrüßt. Als mich Bellu und ein anderer schwarzer Hund, den ich noch nicht kannte, sahen, kamen sie sofort angerannt und sprangen vor Freude an mir hoch. Danach sah ich selber aus, als hätte ich mich samt Kamera gerade im Schlamm gewälzt, so sehr haben sich die Hunde gefreut mich zu sehen. Bellu lief auch gleich wieder mit mir mit. Die Lichtverhältnisse und Sichtweite waren nicht vielversprechend, außerdem war ich total verdreckt, so dass der Spaziergang sehr kurz ausfiel. Der schwarze Hund, dessen Namen ich noch nicht weiß, versuchte jedesmal, wenn ich stehen blieb, an mir hochzuspringen und mit mir zu spielen. Somit war an Fotografieren überhaupt nicht zu denken.
Ich reinigte mich grob vom Schmutz und setzte mich zum Koch und einem der Jungen an die Glut des Küchenfeuers. Der Koch versuchte gleich, mich mit einem feuchten Lappen sauber zu machen. Ich ahnte, dass es ein vergebliches Unterfangen war, ließ ihn aber gewähren - Widerstand zu leisten wäre eh zwecklos gewesen.
Als so langsam die Sonne durch den Nebel brach, machte ich mich an die Wäsche. Durch den morgendlichen Spaziergang hatte ich auch keine Ausrede mehr, die Hose musste dringend gewaschen werden.
Gegen Mittag wurde es angenehm warm (22°C), allerdings ist mittags auch das Licht so hart, dass es sich nicht lohnt, mit der Kamera loszuziehen. Also Zeit nutzen und den Schreibkram erledigen. Die Galerie hat mir, für meine Ausstellung im April, den ersten Entwurf von Plakat und Flyer zur Prüfung zugeschickt. Hier muss ich auch noch sehen, wie ich das eine oder andere Foto von der Kumbh Mela in die Ausstellung mit einbaue.
Um 15:30 Uhr kommen die Kinder aus der Schule. Ein Lehrer begleitet sie und gibt ihnen dann noch Nachhilfeunterricht. Der Lehrer scheint sehr streng zu sein, ist aber vielleicht auch nur mein erste Eindruck. Um die Kinder nicht zu stören, kann ich den Unterricht nur aus der Ferne beobachten - ansonsten würden die Kinder mich beobachten und nicht dem Unterricht folgen. Leider spricht er so gut wie kein Englisch, hätte mich sonst gerne mit ihm unterhalten.
Interessant war, dass auch auf dem Nachbarhof Nachhilfeunterricht erteilt wurde. Dort saßen ein gutes Dutzend Kinder auf dem Dach und ein Lehrer unterrichtete sie. Wäre schön, wenn das Projekt Nachahmer gefunden und das Dorf von sich aus so etwas organisiert hätte. Ich werde dem Ganzen mal nachgehen.

Die Kinder auf dem Nachbarhof gehören zu den Wohlhabenderen des Dorfes. Die Eltern dieser Kinder können sich die Nachhilfe leisten. Wie vermutet, haben sie sich das Projekt als Vorbild genommen, erhalten aber keine finanzielle Unterstützung. Auch hier im Dorf erkennt man langsam, wie wichtig Bildung ist. Natürlich bekommen die Leute im Dorf mit, dass einige der armen Kinder inzwischen studieren und die reicheren Eltern wollen das natürlich auch für ihre Kindern.
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